Weilen heisst ohne Mühe in voller Präsenz tun, was zu tun ist,
sein, was zu sein ist, zusammenfinden, was sich zusammenfinden
sucht.
Eine alte daoistische Praxis, die in der ressourciven Flow-
Pädagogik wieder entdeckt wird, und dies ins sehr pragmatischer
Art. Die Kyniker und die Stoa haben diese Praxis auf ihre Art
(inkarnieren, sich im Verhalten zähmen) angewendet
Zhuangzi sagt: «Die wahren Menschen des Altertums
[ursprüngliche Menschen, die Hin-Über-Menschen] hatten
während des Schlafens keine Träume und beim Erwachen
keine Angst, Ihre Speise war einfach, ihr Atem tief.
Die wahren Menschen [die aus der authentischen,
“wahren”, Ursprünglichkeit leben] holen ihren Atem von
ganz unten herauf, während die gewöhnlichen Men-
schen nur mit der Kehle atmen. Krampfhaft und
mühsam stoßen sie ihre Worte heraus, als erbrä-
chen sie sich. Je tiefer die Leidenschaften eines
Menschen sind, desto seichter sind die
Regungen des Göttlichen in ihm.»
(Zhuangzi, Südliches Blütenland, S. 84.)
Die Ressourcive Sicht in der Flow-Pädagogik:
Wo es Anstrengung und Mühe braucht, ist die
Leichtigkeit der Lebendigkeit dahin. Dies zeigt sich als Druck:
Erziehende, Lehrpersonen, Eltern stehen unter Druck. Dieser
Druck gibt sich weiter. Wenn sie ethische Prinzipien anwenden, so
üben deren moralischen Grundsätze Druck aus: “Du sollst...”. Das
gehört zur menschlichen Kultur, hat aber nicht (mehr) die
Leichtigkeit der ursprünglichen Vitalität.
Je mehr einer sagt: “Ich will” oder “so bin ich” desto oberflächlicher
(”seichter”) riskieren die wahren Anliegen gepflegt zu werden.
Dass Leichtigkeit ein zentrales Element für gewinnendes Vorgehen
ist, sagt auch der chinesische General Sunzi in seiner Kunst des
Krieges: „Die Weisen der Vergangenheit nannten jenen einen
klugen Kämpfer, der nicht allein siegte, sondern sich auch durch
Leichtigkeit auszeichnete“ (Kap 4.11). Leichtigkeit entsteht durch
gelassene Weisheit und Bewusstheit. Eine klare Bewusstheit und
Makellosigkeit ist die Grundlage des Sieges „So also sucht der
siegreiche Stratege im Kriege nur dann die Schlacht, wenn der
Sieg bereits errungen wurde [weil im strategischen Bewusstsein
klar skizziert], doch jener ist dem Untergang geweiht, der zuerst
zum Kampfe drängt und dann nach dem Siege sucht“
(Sun Tsu: Über die Kriegskunst. Marix Verlag, Wiesbaden 2005,
Kap 4.15, S. 54f.). Kämpfen um zu siegen ist definitiv die zweite
Wahl.
Die Kraft der Weile kommt aus der Wucht der Stille, deren
Wohnort das Herz ist.
Yan Hui fragt den Meister Konfuzius was er tun solle, um den Menschen
wirklich zu begegnen. Zhuangzi sagt dazu: “
•
»Fasten musst du!«, sagte Konfuzius. *1)
•
»Weißt du, was ich damit meine? Es ist nicht leicht. Aber vom
erhabenen Himmel kommt nichts, was leicht fiele.
•
»Oh«, sagte Yan Hui, »ich bin es gewohnt zu fasten! In meinem
Elternhaus waren wir arm. Monatelang mussten wir ohne Wein
oder Fleisch auskommen. Das ist doch Fasten, oder?«
•
»Nun, du kannst es meinetwegen eine ‘Fastenübung’ nennen«,
sagte Konfuzius, »aber es ist nicht das Fasten des Herzens.«
•
»Sagt mir«, sprach Yan Hui, »was ist das Fasten des Herzens?«
Konfuzius antwortete:
•
»Das Ziel des Fastens ist innere Einheit. Das
bedeutet hören, aber nicht mit dem Ohr; hören,
aber nicht mit dem Verstand, sondern mit dem
Geist und mit deinem ganzen Wesen.
Das Hören, das nur in den Ohren erfolgt, ist
eines. Das Hören Kraft des Verstandes ist ein
anderes. Aber das Hören kraft des Geistes ist
nicht auf irgendeine einzelne Fähigkeit, auf das
Gehör oder auf den Verstand beschränkt. Daher
erfordert es die Leerheit aller einzelnen Fähigkeiten.
Und wenn dann die Fähigkeiten leer sind, lauscht,
vernimmt unser ganzes Wesen. Es gibt dann ein
unmittelbares Erfassen dessen, was direkt vor einem da ist,
was nie mit dem Ohr gehört oder mit dem Verstand begriffen werden
kann. Fasten des Herzens leert die Sinne, befreit dich von
Beschränkungen und Sorgen. Fasten des Herzens erzeugt Einheit und
Freiheit.«” (Zhuangzi, IV,1, in Merton, der Mann des Tao, S. 41f)
Dieses schlichte Dasein des Wu-Wei aus der Ursprünglichkeit heisst,
ohne Absicht oder Druck, ohne Überheblichkeit oder Selbstbezogenheit
den Flow wirken lassen. Kinder reagieren sofort und sagen: “Das ist
mein Lieblingslehrer, meine Lieblingslehrerin”. Flow-Pädagogik stellt
Wissen und Methoden zur Verfügung, damit solches Weilen aus dem
Herzen praktisch konkret erfolgen kann. Fasten heisst, authentisches
Leben nicht durch machbare äussere oder innere Dinge erlangen
wollen.
*1) Hier werden Konfuzius vom historischen Text-Autor Worte in den
Mund gelegt, die nicht den Idealen das Konfuzius, sondern der Weltsicht
des Daoismus entsprechen. Dadurch soll gezeigt werden, wie über-
zeugend daoistisches Denken ist, wenn sogar Konfuzius selbst so zu
lehren beginnt. Die Lehre von Konfuzius ist nämlich orientiert am Willen,
der Disziplin und der Leistung; das ist streng, nicht leicht. Zhuangzi
hingegen lehrt die Praxis dessen, was sich von selbst ergibt, was in
jener leichtigkeit sich Leichtigkeit, die aus dem Herzen kommt. Dies
entspricht dem Wirken des existentialen Flow (sich ergeben), während
Konfuzius‘ Lehre der Ethik und dem Sollen (machen) entspricht.
Weilen - die konkrete Praxis der authentischen Selbstverständlichkeit
Die Flow-Deutung